Wer steht auf Bremer Bühnen?
Eine Auswertung der Geschlechterverhältnisse in der Clubszene
Erhebung von musicHBwomen* In Kooperation mit dem Bremer Clubverstärker e.V.
Warum diese Erhebung?
Wer in Bremen Musik macht und auftritt, ist sichtbar – oder eben nicht. Die Debatte um Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche darf sich nicht in erster Linie auf „vage Information“ oder Bauchgefühl stützen. Deshalb haben wir gezählt: Wer steht tatsächlich auf Bremer Clubbühnen? Wer prägt das Bild, das das Publikum Woche für Woche erlebt?
Nur mit belastbaren Zahlen lassen sich Debatten versachlichen, gezielte Förderungen begründen und strukturelle Veränderungen anstoßen.
Was wurde gezählt?
Unsere Zählung umfasst:
- Alle auftretenden Personen bei rund 850 Veranstaltungen im Jahr 2023
- In 15 Bremer Musikclubs mit Live- und DJ-Formaten
- Differenzierung nach männlich gelesen, weiblich gelesen und offen nicht-binär/genderqueer
Die Zählung basiert auf öffentlich zugänglichen Informationen: Websites, Social Media, Fotos, Videos, Pressematerialien – sowie in Einzelfällen Rückfragen bei Künstler*innen.
Wie haben wir gezählt – wichtige Einschränkungen
Die geschlechtliche Zuordnung erfolgte durch „Lesen“ – also durch Interpretation öffentlich sichtbarer Merkmale (z. B. Namen, Pronomen, Bilder). Das ist nicht ideal, aber angesichts der großen Datenmenge (ca. 4.500 Personen) war eine Erhebung per Selbstauskunft praktisch nicht umsetzbar. Wir sind uns bewusst: Die Dunkelziffer insbesondere bei nicht-binären/genderqueeren Personen liegt vermutlich höher.
Zentrale Ergebnisse
Gezählt wurden 4456 Personen und rund 850 Veranstaltungen in 15 Clubs im Jahr 2023.
Personen auf der Bühne

Im Veranstaltungsjahr 2023 standen in den ausgewählten 15 Bremer Clubs 83% männlich gelesene Personen auf der Bühne.
Weibliche Beteiligung

Mehr als die Hälfte der Veranstaltungen (53%) fand ohne Beteiligung weiblich gelesener Personen auf der Bühne statt.
Clubs im Vergleich
Mit 236 gezählten Veranstaltungen ist das Meisenfrei die mit Abstand aktivste Spielstätte im Datensatz. Insgesamt standen dort rund 1.200 Personen auf der Bühne. In absoluten Zahlen zählten wir die meisten weiblich gelesenen und offen nicht-binären Personen auf den Bühnen der MS Treue (178), des Sendesaal (138) und des Meisenfrei (109).
Nur ein Club, die MS Treue, weist eine ausgeglichene Geschlechterrepräsentanz auf. Am anderen Ende des Spektrums steht die Zollkantine – hier waren von einhundert auftretenden Personen nur fünf weiblich gelesen.

Die Zahlen zeigen eine deutliche Schieflage bei der Mehrzahl der Clubs.
Die MS Treue ist der einzige Club, der ausschließlich DJ-Veranstaltungen durchführt. Dennoch zeigt die Betrachtung der anderen Clubs, dass dieses Format nicht automatisch zu mehr Geschlechterdiversität im Veranstaltungsangebot führt.
DJ-Formate: Mehr Raum für Vielfalt?
Es wurden DJ-Veranstaltungen gezählt, bei denen Soul- /Pop und Rockmusik in einem Live-Club aufgelegt wurde, ebenso wie DJ-Acts der elektronischen Musik wie Techno und House, letztere deutlich in der Mehrzahl.
DJ-Veranstaltungen weisen einen deutlich höheren Anteil weiblich gelesener / genderqueerer Personen auf der Bühne auf als andere Live Musik Veranstaltungen.

Elektronische Musik (Techno, House etc.) ist hier führend, vor allem im Club MS Treue. Andere Genres wie Rock/Metal/Punk bleiben auch bei DJ-Formaten männlich dominiert.

Ist das ausgeglichene Verhältnis auf der MS Treue auf eine bewusst genderdiverse Bookingpraxis zurückzuführen – oder darauf, dass elektronische Musik als Genre generell diverser besetzt ist?
Zum Genre
Genres sind in ihrer Vielfalt schwer eindeutig abgrenzbar und entziehen sich häufig einer rein objektiven Kategorisierung. Für die vorliegende Auswertung wurde daher versucht, die erfassten Veranstaltungen in 12 Genre-Cluster zu gliedern und diese nach eigenem Ermessen zuzuordnen.
Die folgende Grafik zeigt die Verteilung der meist gespielten Genre-Kategorien, alle liegen über 10%. Hier nicht dargestellte Genres weisen lediglich einen Anteil zwischen 0,5 – 4 % auf. Mit einem Anteil von 49 % war „Rock/Metal/Punk“ das mit Abstand meistgespielte Genre – zugleich jedoch auch das am stärksten männlich dominierte.

Die Genres beeinflussen direkt, wer auf der Bühne steht.
Clubs mit Fokus auf männlich dominierte Genres, wie z.B. die Zollkantine, die ein breites Programm vor allem an Metal-Musik bietet, zeigen kaum weibliche und genderqueere Präsenz.
Weiteres
Die Zahlen belegen keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen Clubgröße, Anzahl der Veranstaltungen oder Förderstruktur auf die Geschlechterrepräsentanz auf der Bühne.
Fazit
Die Bremer Clubszene ist lebendig – aber nicht gleichberechtigt.
Geschlechtergerechtes Booking, strukturelle Förderung und bewusste Vielfalt sollten zentrale Hebel sein, um die Bühne für alle zu öffnen.
Eine gerechtere Repräsentanz lässt sich erreichen, wenn musikalische Vielfalt in den Spielstätten gestärkt und strukturell benachteiligte Akteur*innen auch innerhalb dominanter Genres gezielt unterstützt werden.
Zur ausführlichen Darstellung (stand 20. Mai 2025):
Danke!
Ein riesiges Dankeschön an die großartigen Kolleg*innen aus Hamburg – musicHHwomen* und RockCity – für die Kooperation, das Teilen eures Studiendesigns (das uns unglaublich weitergeholfen hat!) und eure wertvollen Erfahrungen.
Danke an alle Bremer Clubs: Eure Kooperative Unterstützung – und überhaupt! Ohne euch wäre die Kultur in dieser Stadt um einiges ärmer. Ihr leistet fantastische und unverzichtbare Arbeit.
An an den Clubverstärker e.V. für die tolle und kooperative Zusammenarbeit.
Und natürlich: Danke an unsere Fördermittelgeber, die diese Erhebung ermöglicht haben.
gefördert von: